Kultur06.07.2016

Wie Funde aus der Sagenwelt 

 

Von Ulrike Schäfer

AUSSTELLUNG Anna Debora Zimmermann lässt es im Kunstverein glänzen

WORMS - Das Geheimnis, warum das Festspielstück „Gold“ heißt, ist noch nicht gelüftet, wohl aber weiß man jetzt, warum die diesjährige Gemeinschaftsausstellung der Nibelungen-Festspiele und des Kunstvereins den Titel „kostbar“ trägt: Die Heidelberger Künstlerin Anna Debora Zimmermann lässt es glänzen, ob Gold, ob Kupfer, Aluminium oder Salz. Dieser Glanz will freilich nicht nur bestaunt und bewundert werden. 

„Der Künstlerin dienen Objekte als Schablone für eine Illusion“, führte Petra Simon, Künstlerische Betriebsdirektorin der Festspiele, bei der Begrüßung aus. „Ihre Werke muten archaisch an, wie ein Fund aus vergangenen Zeiten, die auf eine mythische Ära reflektieren, eine Sagenwelt, die der Nibelungen“.

Schiffchenartige Gebilde auf einem Salzfluss 

Entsprechende Assoziationen entstehen vor allem bei den Bodeninstallationen „feld“ und „gibt es“, obwohl sie nicht eigens für diese Ausstellung geschaffen wurden. Bei „feld“ liegen auf einer Schicht aus Holzkohle und Asche 15 Elemente, die meisten aus Kupfer, einige aus Aluminium, die an kostbare archäologische Fundstücke denken lassen, aber auch an Helme erinnern, deren Lederbespannung verrottet ist. Vielleicht Überbleibsel einer furchtbaren Schlacht? Indem Zimmermann Aluminium benutzt hat, ein relativ modernes Material, aber auch Kupfer, das heute eher im technischen Bereich Verwendung findet, wird „das Schlachtfeld der Völkerwanderungszeit so unversehens zu einer zeitlosen Allegorie auf Krieg und Massenmord“, wie Dr. Dietmar Schuth, künstlerischer Leiter des Kunstvereins, in seiner Einführung nahelegte. Aus Kupfer sind bei der hochpoetischen Installation „gibt es“ auch die kleinen schiffchenartigen Gebilde, die auf einem Salzfluss dahintreiben, manche intakt, andere verbeult, halb umgestürzt, gezeichnet von der Patina der Zeit, ein Effekt, der durch die chemische Reaktion des Kupfers mit dem Salz entstanden ist. Schuth sprach von der Inszenierung eines Energieflusses auf abstrakte Weise. Die Form der Schiffchen verglich er mit Mitochondrien, den kleinen Kraftwerken in den Zellen. 

Auch die feinen Ritzungen Zimmermanns auf Zinkplatten, mit organischen Materialien behandelt, erinnern an biochemische Prozesse im Gewebe, geheimnisvolle Landschaften mit reizvollen Strukturen, ein Mikrokosmus, der den Makrokosmos spiegelt. Benannt sind die Arbeiten oft nach Gedichtzeilen, denn die Künstlerin hat nicht nur Archäologie und Ethnologie studiert, Fortbildungen im Bereich Tanztheater und Movement Based Expressive Arts gemacht, ehe sie sich dem Studium der Kunst zuwandte, sondern sie drückt sich auch durch lyrische Texte aus, wie ein Blick auf ihre Homepage zeigt. 

Als Dietmar Schuth das Nibelungenthema an sie herangetragen habe, habe sie sofort Lust verspürt, sich damit zu beschäftigen. Vor allem habe sie das Thema Überlieferung interessiert. Wieso wird ein Mythos überhaupt tradiert? Welche Komponenten werden weitergegeben? Welche berühren uns noch heute? Sie hat den Traditionsfluss in Form eines Bandes aus Kunststoffgewebe dargestellt, auf das sie Fundstücke aus dem Rhein, Schwemmholz und korrodierendes Eisen, angeordnet hat, Auseinandergebrochenes, Zueinanderstrebendes, Fremdes, Übereinstimmendes, Außergewöhnliches, manches mit Blattgold aufgewertet. 

Eigens für diese Ausstellung hat sie auch die ästhetisch sehr ansprechende Videoinstallation „Rheingold“ geschaffen, in der sie dem Mythos Rhein auf den Grund geht. Von einer Brücke herab hat sie den Verkehr auf dem Fluss gefilmt, „was“, wie Dietmar Schuth im Katalog zur Ausstellung schreibt, „den Rhein wie eine industrielle „Produktionsstraße“ anmuten lässt, die die „Schätze“ und die Abfälle unserer Zivilisation auf gewaltigen Schiffen transportiert“. Die Frage stellt sich: Was ist kostbar? Was ist uns heute etwas wert?